Was ist überhaupt eine Boxkamera?
Nun, eigentlich eine ganz normale Kamera, nur selbstgebaut, und mit weniger Features. In der Regel dürfte es ja so sein, dass man im Keller nicht grade eine Feinmechaniker-Werkstatt sein eigen nennt, von daher muss man sich beim Bau einer Kamera auf eher einfache Materialien und Verfahren beschränken. Auf den konkreten Bau einer Boxkamera will ich hier auch eigentlich gar nicht näher eingehen, dazu sei auf das Projekt-Blog von Fisch verwiesen, wo das Ganze dokumentiert ist. Da mit rein spielt auch die Papierfotografie, nur in einem anderen Maßstab. Konzeptuell ist die Boxkamera eine Holzkiste (Camera-Body) mit Wechselobjektiv (150mm f/8 Fixblende aus einem Tageslicht-Projektor), Mattscheibe (Plexiglasplatte, welche auf einer Seite Matt ist), manuellem Fokus (Die Mattscheibe wird über eine Stange vor- und zurück geschoben) und relativ großem Sucher (Holztürchen auf der Rückseite). In der Kamera befinden sich zwei lichtdichte Behälter, einer für frisches Fotopapier, einer für bereits belichtetes. Auch wenn sich das eher witzig anhört, sind die Kernkomponenten einer Kamera durchaus vorhanden, nur dass man keinerlei Annehmlichkeiten „moderner“ Fotografie hat. Fotografiert wird auf S/W-Fotopapier (ca. ISO 6). Dementsprechend sind die Abzüge nach dem Entwickeln auch Negative. Zum einen ist Fotopapier einfacher in der Handhabung als Sheetfilm, zum zweiten um Größenordnungen billiger, und zum dritten sind „per Hand“ Belichtungszeiten von kürzer einer 100stel Sekunde sowieso unmöglich solange der Shutter noch nicht fertig gebastelt ist, von daher ist das geringe ISO gar nicht so problematisch. Eine normale Analog-Kamera (in dem Fall eine Canon AE-1) übernimmt hier die Aufgabe eines externen Belichtungsmessers, dazu später mehr.
Zusammenfassend kann man also zu den Specs der Kamera folgendes sagen:
Analoger Kamerabody aus Sperrholz
Brennweite: 150mm, fix (Abhängig vom Objektiv, bei der Größe der Kamera eine Normalbrennweite, also 50mm KB-Äquivatlent)
Blende: f/8, fix (Abhängig vom Objektiv)
ISO: 6, fix (Abhänig vom „Film“, hier SW-Fotopapier)
Belichtungszeit: Variabel, per Hand ca. 1/100s bis Bulb, später dann mit Shutter…
Doppelbelichtungen: Ohne Weiteres Möglich
Fokus: Variabel. Das Fotopapier wird direkt auf der verschiebbaren Mattscheibe angebracht, die genaue Naheinstellgrenze muss noch ausgetestet werden, aber von ~30cm bis Unendlich geht auf jeden Fall
Filmlademechanismus: Voll-Manuell 😉
Vorbereitungen
Fotografieren mit einer Boxkamera bedarf etwas Vorbereitung. Sinnvollerweise hat man Zugriff auf eine Dunkelkammer, denn das Fotopapier muss ja irgendwie in die Kamera. Fotopapier ist zwar Orthochromatisch (wird durch Blaues, Gelbes, Grünes, UV, aber nicht durch Rotes Licht belichtet), aber dennoch muss man hier Sorgfalt walten lassen. Ein paar Blatt Fotopapier werden in eine lichtdichte Umverpackung gepackt (Pappschachtel, von innen Schwarz) und danach in das innere der Kamera gelegt.
Wir haben Fotopapier von Tetenal (TT-Speed, PE-S/W-Papier, Neutral-Schwarz, Gradation 4 Hart, Stil 310 Glänzend, 10x15cm) genommen, welches wirklich gut funktioniert. Mattes Papier ist grundsätzlich etwas besser geeignet (spielgelt weniger beim späteren Einscannen), aber das war in der Größe grade leer. Gradation 4 hört sich zwar nach viel an, aber die Fotos von der Boxcam werden generell so weich, dass das hinterher schon wieder ok ist.
Also ein paar Blatt Fotopapier in den Papiercontainer „laden“, und in die Kamera damit. Bei uns haben wir Holzschienen unter die Schachtel montiert, welche in Bodennähe der Kamera hin- und her-sliden können. So kann man auch mit einer Hand den Deckel des Kartons abziehen um Papier daraus zu entnehmen, weil das Unterteil der Schachtel durch die Schienen am Boden gehalten wird.
Fotografieren
Nun geht es also erst mal nach draußen, vorzugsweise bei sonnigem Wetter, denn Indoor Haben wir mit ISO 6 schnell Belichtungszeiten von jenseits 30 Sekunden, je nach Licht. Für z.B. Portraits denkbar ungeeignet, und eine Schaufel mit Magnesiumpulver als Blitz zu verbrennen dürfte mein Vermieter (und der Rauchmelder) nicht so gut finden. Draussen hingegen bei sonnigem Wetter und indirektem Licht hat man i.d.R Belichtungszeiten zwischen 1/100Sec. bis ca. 4 Sekunden. Das kriegt man „per Hand“ noch super getimed. Aktuell in der Mache ist ein richtiger Schlitzverschluss-Shutter; damit dürfte das deutlich einfacher gehen.
Zunächst sucht man sich seinen Ausschnitt. Da – wie oben erwähnt – das 150mm-Objektiv bei dieser Kiste ziemlich genau einer Normalbrennweite entspricht, kann man sich seinen Ausschnitt auch mit einer Kleinbild-Kamera mit 50mm-Objektiv suchen, aber wo bleibt da der Spaß?
Das funktioniert auch eigentlich ziemlich gut, auch wenn die Kamera ein bisschen unhandlich ist, ist die Sperrholzkiste trotzdem nicht so schwer wie sie aussieht. Wie man oben im Bild sieht, waren wir (meine Wenigkeit und Fisch) an einem sonnigen Sonntag auf einem „Bauhaus“-Parkplatz, da war sonst eh niemand.
Recht Vorteilhaft an so einem Parkplatz ist auch, dass man die Einkaufswagen gut als Fokussierhilfe und Stativ benutzen kann.
Zu diesen Zeitpunkt ist alles Papier noch in seinen Packungen, und der Objektivdeckel und das Holztürchen hinten („Sucher„) sind offen, damit man durchgucken kann. Die Kamera kann also quasi manuellen TTL-Fokus.
Wenn man richtig fokussiert hat, „Arretiert“ man den Fokus am besten; bei uns mittels Wäscheklammer.
Da hinterher das zu belichtende Negativ vorne auf der Mattscheibe angebracht wird, zieht man den Fokus leicht nach hinten, um die Dicke des Papiers auszugleichen.
Natürlich ist das Sucherbild wie bei jedem optischen System zunächst auf den Kopf gedreht, handelsübliche Kameras (zumindest die meisten nach Baujahr 1920) drehen das Bild nur durch Spiegel und/oder Prismen vorher noch einmal für den Betrachter. Das führt machmal dazu, dass man sich etwas verrenken muss, um seinen Bildausschnitt optimal zu wählen, aber kein Ding der Unmöglichkeit.
Die Boxkamera besitzt an der Seite eine Vorhangbewehrte Öffnung, um im dunklen innerhalb der Kamera operieren zu können. Das ist nötig, um den Schnappschuss vorzubereiten. Wenn wir unsere Kamera ausgerichtet und fokussiert haben, wird der Fokus arretiert (in unserem Fall mit einer Wäscheklammer) und alles dicht gemacht; also Klappe hinten zumachen und Objektivdeckel wieder aufsetzen. Ab jetzt muss innen alles Dunkel sein, denn wir packen nun das belichtbare Material, also das Fotopapier aus. Dazu greift man mit einer Hand in die Kamera durch den Vorhang und öffnet den Behälter mit den frischen Bildern. ähnlich wie im Aquarium sind auf beiden Seiten der Mattscheibe Magneten, die sich gegenseitig halten. Auch sind auf der Mattscheibe ein paar Klebestreifenmarkierungen um ein 15x10cm Bild in Hoch- oder Querformat anlegen zu können. Die Magnete schiebt man sich schon mal grob zurecht wie mans braucht. Dann nimmt man ein Bild aus der geöffneten Packung, legt es mit der belichtbaren Seite richtung Objektiv an der Scheibe an, und friemelt die Magneten über die Bildränder, damit sie das Bild an der Mattscheibe halten. Unsere Paiere waren alle leicht konvex gewölbt, also gibts keine Probleme damit, dass das Papier in der Mitte nicht aufliegt. Es wird hier auch schnell klar, warum man die „Fokus-Stange“ arretieren will, denn bei diesem Schritt ist die Wahrscheinlichkeit hoch, die Scheibe zu verschieben. Auch sollten die Magneten so weit am Rand wie möglich positioniert werden, da dort, wo die Magnete aufliegen, natürlich nichts belichtet wird; man muss also hinterher auf jeden Fall croppen. Vermutlich ist es sinnvoller in Zukunft dort mal eine Art Schablone zu bauen, die immer eine fixe Position hat. Ist das Bild an der Scheibe, wird die Packung mit den Papieren wieder verschlossen, der Fokus überprüft, ob der sich verschoben hat, und die Hand aus der Kamera genommen. Die Boxcam ist nun bereit fürs Foto.
Im Grunde wird jetzt das Foto gemacht. Da der einzige Parameter, auf den wir ab hier Einfluss haben, die Belichtungszeit ist, müssen wir erst mal ermitteln, was für eine Belichtungszeit wir brauchen. Dafür metern wir entweder mit einem Belichtungsmesser oder (besser) mit einer normalen Kamera die Belichtung. Wir können das dann entweder in EV ausrechnen und entsprechend für die Kamera umrechnen, oder aber gleich Alles was geht, gleich einstellen wie es an der BoxKamera ist. Ich habe dafür meine analoge Canon AE-1 mit 50mm-Objektiv genommen. Der Bildausschnitt ist quasi identisch, also ist es die Helligkeit auch (Beim mittenbetonen Messen sowieso). Ich stelle also ein: Blende 8 (wie bei der Box), und ISO das niedrigste was geht, also bei der AE-1 ist das ISO25. Das sind 2 Stops mehr als das ISO6 vom Fotopapier (ISO verdoppeln oder halbieren = 1 Stop). Beim metern mit einer Digitalen Spiegelreflex, wo i.d.R. ISO 100 das kleinste ist, sind das schon 4 Stops. Ich messe also mit der AE-1 mit 2 Stops Unterschied zum Papier, was die richtige Belichtungszeit wäre, also z.B. eine halbe Sekunde. Für die Boxkamera bedeutet das dann bei 2 Steps mehr entsprechend 2 Sekunden Belichtungszeit. Das kann man per Hand super timen, also Objektivkappe abnehmen und nach 2 Sekunden wieder draufsetzen. Das Foto ist nun sprichwörtlich im Kasten. Für die Analogfotografen: Die Zeiten sind hier im Gegensatz zu Film wirklich 1:1 umzurechnen, das „reciprocity-failure“ (oder zu deutsch: Schwarzschild-Effekt) tritt zwar bei Papier auch irgendwann ein bisschen auf, aber halt nicht bei 1, 2 oder 10 Sekunden, sondern erst nach vielen Minuten. Mit dem Belichter für Abzüge belichtet man ja auch länger als 2 Sekunden. Nun muss man – abermals im Dunkeln – wieder mit der Hand in die Kamera greifen, das Papier von der Mattscheibe lösen und in den zweiten lichtdichten Container verfrachten. Wenn nun alle interessanten Motive, die sich nicht zu schnell bewegen, abgelichtet sind, gehts zurück in die Dunkelkammer. Hier kann man schon mal Entwicklungschemie vorbereiten wie man sie auch sonst für S/W-Papier für Abzüge braucht.
Jetzt kommen die Abzüge ganz normal in die Chemie, wie bei anderen Abzügen auch. Wir können in der Dunkelkammer ja ganz normal rote Dunkelkammerbeleuchtung anmachen, von daher sieht man direkt, wann ein Bild ausentwickelt ist, auch wenn man 1-2 Stops danebengelegen hat beim Belichten, kann man das hier in der „RAW-Entwicklung“ noch mal rausholen. Natürlich werden das dann entsprechend Negative, und man hat nur einen Versuch, denn die „Abzüge“ sind ja unser eigentliches Negativmaterial, und nicht das fertige Bild.
Man könnte sich jetzt überlegen, wie man am klügsten Kontaktabzüge davon macht, oder das von Hinten so hell ausleuchtet, dass das wie mit einem Belichter abziehbar ist, aber dabei das Papier nicht anbrennt, aber das einfachste dürfte sein, das Negativ einfach zu scannen, vor allem, weil man nicht so einen ultra-hochauflösenden Negativscanner braucht, denn auf dem Papier werden eh nicht so viele Details abgebildet wie auf Film bedingt durch die Papierstruktur, und zum zweiten hat unser Negativ ja schon Sheetfilm-Größe, und ist dementsprechend einfach zu bearbeiten. Wenn das Bild gescannt ist, müssen noch die Farben invertiert werden sowie in der Y-Achse gespiegelt werden. Dann die Ränder, wo die Magneten waren abschneiden, und das Bild kann mit beliebiger Bildbearbeitungssoftware oder RAW-Konverter bearbeitet werden. Hier bietet es sich an, wenn der Scanner direkt TIFF mit großem Farbraum auswirft, denn dann haben wir fast so viel Spielraum zur Nachbearbeitung wie bei RAW-Bildern sonst auch.
Auch wenn das Ganze mehr wie eine Machbarkeitsstudie wirkt, und vor allem die Praktikabilität an vielen Stellen vermissen lässt, kommen dabei doch unterm Strich gar nicht so schlechte Bilder bei raus, vor allem weil das Tageslichtprojektorobjektiv unerwarteterweise ein wirklich brauchbares Bokeh erzeugt.
Man kann damit Rechnen, dass die Bilder – schon alleine weil man die auf die Mattscheibe bringen muss und hinterher wieder davon runter – in der Regel ein paar Kratzer haben, die man in Gimp oder Photoshop wieder wegretuschieren muss. Dies sowie kleine Korrekturen z.B. im Kontrast im RAW-Konverter ist aber auch schon alles an Nachbearbeitung, was man hier machen sollte.
Warum dieser Aufwand?
Das ist eigentlich relativ einfach,
- Weils geht und Spass macht natürlich
- Weil mir diese ganzen Fotohipster auf die Nerven gehen, die meinen teures Equipment ist gleich gute Bilder ist gleich guter Fotograf. Mit teurer Ausrüstung ist es natürlich leichter gute Bilder zu machen und alles ist etwas bequemer, aber Fotografieren ist wie alles Andere auch schlicht Übungssache, und die kann man sich nicht erkaufen.
- Weils auch mit wenig Budget geht.
- Weil wenn man zu den Basics egal welcher Thematik zurückgeht, ist man in der Lage eine Sache tatsächlich und vollständig zu verstehen. Es ist eine Sache zu wissen, wo auf der Kamera welcher Knopf ist, aber etwas ganz anderes zu begreifen, wie so ein Foto tatsächlich entsteht – und zwar von Anfang bis Ende. Das hat den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass man nicht das grenzdebile Halbwissen Anderer nachplappern muss die selber keine Ahnung haben, sondern eine Sache selber verstanden hat, und zwar durch Erfahrung und Adaption; und das ist viel wert.
Ergebnisse
Zum Schluss will ich die fertigen Bilder natürlich nicht vorenthalten, denn die sind gar nicht so schlecht geworden…
Im ersten Bild sieht man einen Vordereingang eines „Bauhaus“ Baumarktes. Das Bild ist absichtlich nicht retuschiert, damit man sieht, was ich mit „Kratzern“ meine. in der Vergrößerung sieht man das eigentlich recht deutlich.
Das zweite Bild ist ein „Portait“ meiner AE-1. In dem „Gartenhaus-Showcase“ auf dem Parkplatz gab es eine schön gepflasterte Fläche, und ich finde, dass Bild kann sich sogar sehen lassen. Das Bild habe ich etwas retuschiert um die Kratzer zu entfernen, und in rawtherapee den Kontrast angepasst. Sonst ist das Bild „straight from Camera“ (es lohnt, das Bild in voller Auflösung anzusehen).
edit 2017-04-21: Neuer Shutter
Auch wenn der noch nicht ganz fertig ist, hat Fisch sich was für den Shutter überlegt. Im wesentlichen sind das zwei Slides, die zeitversetzt durch ein Gummiband nach unten gezogen werden. durch das ziehen der Stifte oben werden die Slides entriegelt, und flitschen nach unten. Das ist zwar noch ein Prototyp, aber there’s more to come. An dieser Stelle vielen Dank an Fisch und Pascal, die signifikante Teile der Kamera mit gebaut haben, und z.T. auch mit fotografieren waren.
-zeus